Ein Interview mit Dr. Laura-Maria Altendorfer von der e.kundenservice Netz GmbH

Die gesellschaftspolitische Diskussion rund um Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung beeinflusst die Energiebranche aktuell mehr denn je. Daraus ergeben sich bedeutungsvolle und komplexe Themen wie ein steigender Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix, der Verbrauchsübermittlung via Smart-Meter oder der Auf- und Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für die E-Mobilität. Welche Herausforderungen müssen bewältigt werden und wie verändern sich Kundenverhalten und -anforderungen? Markus Pollinger, bei acterience verantwortlich für die Geschäftsbereiche Mobilität & Energie und Dr. Laura-Maria Altendorfer, Senior Referent Product Manager Digital Services, zuständig für den Chat und Chatbot und die digitale Kundenstrategie bei der e.kundenservice Netz GmbH, waren zu diesen Themen im Gespräch.

Frau Dr. Altendorfer, Sie kümmern sich als Product Owner um die Neu- und Weiterentwicklung digitaler Produkte für Ihre Kunden. Was sind dabei Ihre aktuell größten Herausforderungen, auch in Bezug auf die agile Arbeitsweise?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Wir arbeiten zunehmend im BizDevOps Ansatz, in dem wir IT-Kollegen direkt mit den Fachexperten in einem Team vereinen. Damit verbundene Herausforderungen sehe ich hier vor allem auf der kulturellen Ebene – je nachdem wie vertraut man mit solchen Arbeitsweisen ist, umso leichter oder schwerer tut man sich. Weitere Herausforderungen liegen in den Anforderungen der Stakeholder: auf der einen Seite das Thema Kosten und Automatisierungsquote, auf der anderen Seite der Kunde, der sagt “ich will mein Anliegen mit einem Menschen besprechen und dieses schnell gelöst haben”.

Eine ähnliche Entwicklung betrachten wir derzeit auch bei unseren Kunden in anderen Branchen. Inwieweit blickt man aus der Energiewirtschaft in andere Bereiche, wenn es um das Thema Kundenansprache geht? Gibt es hier Parallelen oder gar gezielten Austausch?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Wir blicken regelmäßig und sehr hoch über den Tellerrand hinaus. Ich persönlich halte das auch für sehr wichtig, um up to date zu bleiben und effektiv zu Netzwerken. In meinem Team betreiben wir regelmäßige Benchmarks mit anderen Dienstleistern, auch aus anderen Branchen, wie beispielsweise Versicherungen, Bankenwesen oder Telekommunikation. Auch der kontinuierliche Austausch in Form von Best Practice-Präsentationen oder auf Veranstaltungen ist wichtig. Parallelen sind viele da, z.B. hinsichtlich der Kundenanforderungen – aber auch viele Unterschiede. Energie ist kein Thema, mit dem man sich so viel beschäftigt wie beispielsweise mit dem Handy. Das wird sich aber sicher zeitnah ändern, wir stehen auf der Schwelle in eine neue Energiewelt.

Bezugnehmend auf die Parallelen und Unterschiede hinsichtlich des Kundens: haben sich dessen Verhalten, seine Anforderungen und Nachfrage in der jüngeren Vergangenheit stark verändert?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: In den letzten Monaten haben Anfragen zu Themen wie E-Mobilität, Energiespeicher oder Smart Meter zugenommen. Hier ist ein Umdenken bei den Kunden spürbar. Auch sind viele Kunden seit Corona digitaler unterwegs und nutzen beispielsweise vermehrt unsere digitalen Kommunikationsangebote, wie den Chatbot. Im Chatbot selbst fällt auf, dass die Art der Kommunikation leider oft gereizt oder unfreundlich ist. Das ist schade, aber betrifft nicht nur uns im Speziellen. Das hat zum einen mit der Anonymität und einer schnellen Kommunikation zu tun, zum anderen hat man aber auch einfach geringere Hemmschwellen als mit menschlichen Kollegen.

Wie binden Sie den Kunden und seine Anforderungen in der Entwicklung der Themen Chat und Chatbots mit ein?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Ein sehr wichtiges Thema! Wir haben hier extra ein Customer-Co-Creation-Team eingerichtet, mit dessen Hilfe wir z. B. Neuerungen vorab testen lassen. Zudem erheben wir einen NPS (Net Promoter Score) und analysieren die dort abgegebenen Feedbacks nach Optimierungsmöglichkeiten für unser Angebot. Außerdem werten wir täglich die Chat-Transkripte aus und schauen, was gut oder weniger gut funktioniert hat.

Sie sind mit der e.kundenservice Netz GmbH auf Seite der Netzbetreiber aktiv. Unterscheidet sich die Anbindung des Kunden bei Ihnen von der auf Versorgerseite?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Bezüglich des Netzbetreibers hat der Kunde keine Wahl, je nach Wohngebiet gibt es genau einen zuständigen Netzbetreiber. Beim Energieanbieter sieht das anders aus, hier hat der Kunde die freie Wahl zwischen aktuell über 1.300 Anbietern und kann wechseln, wenn er möchte. Entsprechend entfällt für Netzbetreiber der direkte Kundenvertrieb; das Vertriebsgeschäft liegt hier mehr im B2B-Bereich, z.B. mit Stadtwerken. Dafür begleitet der Netzbetreiber Kunden bei Themen wie der Einrichtung seiner Photovoltaik-Anlage, dem Hausanschluss etc. – also beim Start des Kunden in die aktuelle und künftige Energiewelt.

Wenn der Kunde die freie Wahl des Anbieters hat und zeitgleich Strom ein eigentlich emotionsloses Produkt ist, wie gelingt es Ihnen dann, eine begeisternde Customer Journey zu entwickeln? Welche Rolle spielt dabei das Thema “Nachhaltigkeit” und das entsprechende Bewusstsein der Kunden dafür?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Eine schwierige Herausforderung, keine Frage. Energie ist kein “sexy” Thema, weshalb es sich insbesondere auf Netzbetreiberseite auch nur schwer emotional vermarkten lässt. Vielmehr spielen andere Faktoren eine Rolle. Schnelligkeit und Kompetenz beispielsweise, der Kunde möchte sich so wenig wie möglich damit beschäftigen. Aber auch hier macht sich ein Wandel bemerkbar. Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Netzbetreiber, denn von diesen wird die Energiewende verlangt. Sie sollen ein smartes Netz und dessen Ausbau gewährleisten. Dazu gehört auch der Smart Meter Rollout. Nur mit diesem Gerät erhalten wir künftig ausreichend Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten und können so Angebot und Nachfrage in Einklang bringen – also eine nachhaltige Energiewelt gestalten.

Eine nachhaltige Energiewelt klingt sehr erstrebenswert! Wie können digitale Angebote in der Energiewirtschaft aus Ihrer Sicht hier zukünftig beitragen und wo sehen Sie dabei die größten Herausforderungen?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Aus dem Blickwinkel der digitalen Services steht sicherlich eine noch stärkere Automatisierung dem Thema gegenüber, dass Menschen lieber mit “echten” Menschen kommunizieren möchten. Hier wird es um die Frage gehen, wie man eine gelungene und für beide Seiten passende Mensch-Maschine-Interaktion gestaltet. Darüber hinaus entsteht aktuell ein riesiges Spannungsfeld mit Blick auf Smart Grid, Smart Meter, E-Mobility, Smart Home etc.. Hier müssen sich erst verschiedenste Interessensgruppen, wie z.B. die Automobil- und die Energiebranche, angleichen und einen vernünftigen Konsens finden.

Sie sprachen das Thema E-Mobilität als Spannungsfeld an. Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung in dem Bereich und die damit verbundenen Veränderungen für die Netzbetreiber und Versorger ein?

Dr. Laura-Maria Altendorfer: Hier sprechen wir von unterschiedlichen Aufwänden, die auf Netzbetreiberseite sicherlich höher als auf Versorgerseite sind. Der Netzbetreiber steht vor der Herausforderung, einen idealen Netzausbau zu gewährleisten. Aktuell können wir unseren Energieverbrauch noch nicht intelligent steuern. Man muss sich nur vorstellen, was passiert, wenn in einer Stadt mit 60.0000 Einwohnern alle um Punkt 18 Uhr ihr Auto laden möchten, die PV-Anlagen aber die Energie um 12 Uhr liefern. Das heißt, wir müssen Einspeisung und Verbrauch intelligent steuern. Dann hat der Kunde einen echten Nutzen davon. In dem Zusammenhang ist auch das Thema Transparenz wichtig. Für Kunden muss ersichtlich sein, wie hoch ihr Verbrauch ist, im Idealfall bis auf Geräteebene heruntergebrochen. So schaffen wir gemeinsam ein nachhaltiges Bewusstsein für den Wert und den bedarfsgerechten Einsatz von Energie.

Frau Dr. Altendorfer, vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke!

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