In diesem Artikel zeigen wir, wie Release Train Engineers (RTEs) die Theorie des Scaled Agile Frameworks (SAFe©) in greifbare Erfolge verwandeln können – mit praxisnahen Tipps und echten Insider-Einblicken.
Übersicht
Das Scaled Agile Framework©: ein Framework für skalierte agile Zusammenarbeit
01
Team
Bis zu 12 Teams, insgesamt zwischen 50 und 125 Personen. Alle Teams gehören zu einem übergeordneten, skalierten Team – einem sogenannten Agile Release Train (ART).
02
Vision
Der ART ist entlang eines Wertstroms organisiert und vereint Teams mit gemeinsamen Zielen, die in Sprints nach agilen Methoden wie Scrum oder Kanban arbeiten. Gemeinsam verfolgen sie die Vision des ART.
03
Ziele
Aus der Vision des ART ergeben sich spezifische Team-Ziele, bei denen neue Features wie z.B. Login-, Bezahl- oder Suchfunktionen entstehen – kleine Bausteine, die in einem zeitlich festgelegten Planning Intervall (PI) entwickelt werden, das auf 8 – 12 Wochen ausgelegt ist.
04
Plan
Der PI-Zyklus bestimmt den Plan hinter einer abgestimmten Entwicklungskadenz, bei der alle Bausteine der einzelnen Teams zusammengeführt, also „integriert“, werden. Dieses integrierte Gesamtbild nennt man „Inkrement“ – ein funktionierendes Produkt wie z.B. ein digitaler Marktplatz mit Login-, Bezahl- und Suchfunktion.
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Werte
Die Teams arbeiten nach den agilen Werten Transparenz, Kommunikation, Respekt und kontinuierlicher Verbesserung.
Teams, Vision, Ziele, Plan & Werte:
ein Versprechen an den Erfolg?
Die Bausteine Teams, Vision, Ziele, Plan und Werte liefern einen umfassenden Rahmen für die agile Zusammenarbeit. Was an dieser Stelle jedoch fehlt, sind die weichen Faktoren: Verständnis, Commitment, Kommunikation und Priorisierung:
- Was passiert, wenn nicht alle dasselbe Verständnis der Vision haben?
- Mit welchem Commitment verfolgt wer welche Ziele?
- Wer redet wann mit wem und wieso?
- Wer priorisiert dabei welchen Schritt, und wer stimmt sich mit wem ab?
Auch hierauf hat SAFe eine Antwort: Das Planning Interval (PI) Planning.
Das PI Planning
Das PI Planning ist die zentrale Veranstaltung im Scaled Agile Framework, welche die oben genannten weichen Faktoren Verständnis, Commitment, Kommunikation und Priorisierung innerhalb der Teams und über den gesamten ART hinweg adressiert. Das Ziel hierbei ist einen Plan für den kommenden PI-Zyklus zu schaffen. Während des PI Plannings kommen die Teams zusammen und planen ihre nächsten Sprints in Abstimmung mit allen relevanten Stakeholdern. Darüber hinaus stellt das ART Planning Board ein zentrales „hartes“ Output des PI Plannings dar, auf dem Feature Delivery Dates, Abhängigkeiten zwischen Teams und relevante Meilensteine während des PI Plannings festgehalten werden.
Am PI Planning wirken alle definierten Rollen des ART mit:
- Agile Teams (Product Owner, Agile Master, Developer)
- Das ART-Produktmanagement (gibt die übergeordnete Vision und Ziele vor)
- Business Owner (Stakeholder des ART)
- Der System Architect (verantwortlich für die Architektur des Produktes)
- Der RTE (u.a. verantwortlich für die Leitung, Vorbereitung und Organisation des PI Planning)
Die Magie des PI Plannings liegt darin, alle Beteiligten zusammenzubringen. Das fördert die Kommunikation und den Teamzusammenhalt und wird sich später im PI-Zyklus auszahlen.
Das Scaled Agile Framework gibt sehr detailliert den benötigten Input, die Agenda und den Output für PI Plannings vor. Was es nicht vorgibt, sind Antworten auf Fragen wie:
- Wie können Release Train Engineers das Framework in die Praxis umsetzten?
- Welche Tools werden benötigt, um Trainingsinhalte optimal vorzubereiten?
- Wie lässt sich die Agenda in der Praxis realisieren?
- Und wie kann der Output zum Leben erweckt werden?
In der Tätigkeit des RTEs, sowohl in Software- als auch in Hardware-Projekten, erleben unsere Berater:innen die SAFe-Theorie aus der praktischen Umsetzungsperspektive.
Im Folgenden haben wir die Theorie mit unseren Praxiserfahrungen zusammengeführt, um Ihnen einen 360-Grad-Einblick in die Tätigkeit des RTEs im Rahmen des PI Planning zu geben und um einige Praxistipps zu teilen.
Praxistipps für PI Plannings
Im Planning liegt die Kraft –
Tipps für die Vorbereitung von PI plannings
Es ist kein Geheimnis, dass Events ausreichend Vorbereitung für ihren Erfolg benötigen. Dies gilt auch für PI Plannings. RTEs sollten daher genügend Zeit für die Vorbereitung, Koordination und für Kommunikationsmaßnahmen einplanen. Nach SAFe kann man diese vorbereitenden Maßnahmen in die Punkte organisatorische, inhaltliche und logistische Vorbereitung unterteilen:
- Organisatorische Vorbereitung
Diese umfasst die Abstimmung des Planungsumfangs mit dem Produktmanagement und den Agile Mastern des ARTs. Eine Agenda wird erstellt, die auf Feedback aus Retrospektiven und Teammeetings eingeht und in der regelmäßige Pausen und Feedbackrunden einplant sind. - Inhaltliche Vorbereitung
Sie beinhaltet Briefings zu Produktvision, Systemarchitektur auf der ART-Ebene und Teamkapazitäten sowie Abgängigkeiten und Risiken auf der Ebene der agilen Teams. Features, die im PI Planning betrachtet werden, sollten sich im Status „Definition of Ready“ befinden. Risiken und Abhängigkeiten können, wenn sie im Voraus identifiziert werden, eingeplant werden. - Logistische Vorbereitung
Die logistische Vorbereitung erfordert die frühzeitige Buchung von Räumen, das Versenden von Termineinladungen, die Organisation von technischen Tools und Materialien, sowie die Festlegung eines zentralen Dokumentationsorts (z.B. Confluence). Es sollten auch Hilfsmittel wie ART- und Teamboards oder eventuell benötigte Ausdrucke von Agenda und Anleitungen vorbereitet werden. Zudem sollte eine frühzeitige Kommunikation durch die Agile Master über Inhalt und Erwartungshaltung des PI Plannings in die Teams sichergestellt werden und final alle Beteiligten 2-3 Tage vor dem geplanten PI Planning gebrieft werden, um letzte offene Fragen zu klären.
Die wichtigsten Punkte zur organisatorischen, inhaltlichen und logistischen Vorbereitung haben wir für Sie in einer Checkliste zusammengefasst, die sie hier kostenfrei herunterladen können:
Das Chaos beherrschen –
tipps für die Durchführung von PI Plannings
Grundsätzlich gilt: Die Umsetzung eines PI Plannings ist ein Prozess, der sich von Mal zu Mal weiterentwickeln und verbessern wird. So sollten die Erwartungen – vor allem wenn es sich um das erste PI Planning handelt – entsprechend realistisch angesetzt werden. SAFe ist ein Framework, kein strikt zu verfolgender Plan. Jeder ART wird seinen eigenen Weg finden, der am besten in das SAFe-Umfeld passt. Und gerade darin liegt einer der wichtigsten Gründe für ein PI Planning – sich gemeinsam als Team zu entwickeln!
Während des Events können folgende Tipps hilfreich sein:
- Energizing und Pausen sind essenziell, um eine positive und engagierte Atmosphäre zu schaffen.
- Kurze Teamspiele helfen dabei, die Stimmung zu heben, während regelmäßige Pausen die Konzentration aufrechterhalten.
- Visuelle Hilfsmittel wie Grafiken und Diagramme tragen dazu bei, Informationen verständlich darzustellen.
- Der Fortschritt sollte live dokumentiert und die Arbeitsergebnisse für alle sichtbar präsentiert werden.
- Feedback-Runden sind ebenfalls wichtig und sollten integriert werden, wobei es hilfreich ist, Action Items zu dokumentieren.
- Zur Förderung der Teamkultur und Motivation können Erfolgsgeschichten und Best Practices geteilt werden.
- Öffentliche Belohnungen und Lob für den Einsatz des Teams tragen ebenfalls zur positiven Stimmung und Motivation bei.
PI Planning Done und Dann? –
Tipps für die Nachbereitung von PI plannings
Sobald das PI Planning abgeschlossen ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Diese Phase umfasst die Umsetzung und die Sicherstellung einer effizienten Durchführung der Pläne. Nachfolgend einige Tipps für die Bewältigung unterschiedlicher Szenarien:
Szenario 1: Nach dem PI Planning fallen eine Reihe von inhaltlichen Themen an: Dokumentation der geplanten Arbeit und Abhängigkeiten, Management und Monitoring der Abhängigkeiten und Risiken, Kommunikation der PI-Ziele an Stakeholder, Anpassungen aus der Retrospektive, usw.
- Auch wenn viele weitere Themen anstehen: Widmen Sie sich in einem ersten Schritt der Anpassung und Abklärung der Meetingorganisation um Zeit-, Raum- und Anwesenheitsproblemen vorzubeugen und die Basis für eine reibungslose Zusammenarbeit zu schaffen. Danach lassen sich auch die weiteren Punkte gut erledigen.
- Dokumentation der Ergebnisse als Arbeitsgrundlage der für die Teams bereitstellen
- Organisation von Terminen sowie Monitoring von Abhängigkeiten, Risiken und regulären Abstimmungsterminen
- Maßnahmen aus der Retrospektive angehen
Szenario 2: Alle Informationen aus dem PI Planning müssen zentral und digital dokumentiert werden, um im PI-Zyklus nutzbar zu sein. Das ist wichtig, damit der gesamte ART die High-Level-Pläne aller Teams einsehen und mit diesen Informationen arbeiten kann.
- Bereits im PI Planning sollten Tools nutzen genutzt werden, die kollaboratives Arbeiten unterstützen
(z.B. Confluence, JIRA, Miro) - Vorab einheitliche und zentrale Dokumentationsstrukturen vorbereiten, damit Informationen nicht im Nachhinein sortiert werden müssen
- Wenn Teams ihre maximale Effizienz in unterschiedlichen Dokumentationslayouts finden, dieses akzeptieren und nutzbar für alle machen. Es muss gelten: SAFe is an enabler, not a restriction.
Szenario 3: Alles ist geplant und zentral dokumentiert, die Teams vertiefen sich in ihren detaillierten Themen, während zentrale Erkenntnisse (z.B. über abgestimmte Prozesse, Abhängigkeiten oder Risikobehandlung) des PI Plannings nicht aktiv genutzt werden.
- Ein Planungsboard oder digitales Tool zur aktiven Verwaltung und Visualisierung von Abhängigkeiten, ART-Risiken und PI-Zielen sowie Retroanpassungen nutzen
- Zentrale Dokumentation in Regelabstimmungen mit Coaches und Produktmanagement einbinden
- Teams sollen die Dokumentation bei Veränderungen aktiv anpassen
Szenario 4: Variablen verändern sich, sodass der ART darauf reagieren muss.
- Agiles Mindset beibehalten: „Agile Waterfall“ vermeiden
- SAFe-Kadenz anpassen: Auch ein Zwischen-PI-Planning kann abgehalten werden
- Auf zentrale Ergebnisse vergangener PI Plannings berufen: Transparenz, Zusammenarbeit und Organisation helfen effizient auf die Veränderung zu reagieren
Szenario 5: Die Retrospektive offenbart kritische Punkte am PI Planning Event.
PI Plannings müssen nicht 1:1 wie aus dem Lehrbuch gelebt, sondern sollten auf teamspezifische Abläufe angepasst werden. Abhängig davon, welche Findings die Retrospektive ergeben hat, sollten folgende Punkte unter die Lupe genommen und bei Bedarf angepasst werden, wie zum Beispiel:
- Agendapunkte
- Anwesenheiten
- Eventdauer und -ort
- Dokumentationsarten
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