Bei der Nutzung digitaler Produkte, wie beispielsweise eines Navigationsdienstes oder der Homepage eines Onlineversandhändlers, sind wir es bereits gewohnt, proaktiv Vorschläge zu erhalten, die das Kundenerlebnis angenehmer gestalten sollen. Die Bedürfnisse von Kund:innen werden antizipiert, um zum richtigen Zeitpunkt ein neues Produkt oder die Nutzung einer neuen Funktion zu empfehlen. 

Prominente Beispiele hierfür sind die Vorschläge zur Stauumfahrung von Navigationsdiensten wie Google Maps oder die Empfehlung weiterer Produkte, wie beispielsweise bei Amazon in der Kategorie „Wird oft zusammen gekauft“. Welches Potenzial sich hinter diesen Empfehlungen verbirgt, lässt sich sehr gut an den Verkaufszahlen von Amazon ablesen: über 35% der dort durchgeführten Verkäufe werden durch die genannte Kategorie generiert.¹ Die Qualität der Vorschläge hängt dabei sowohl von der zugrundliegenden Datenqualität als auch von den verwendeten Algorithmen ab. Auch die Automobilbranche entdeckt dieses Thema zunehmend für sich und analysiert verstärkt das Kundenverhalten, um Fahrzeuge zu intelligenten Wegbegleitern weiterzuentwickeln.² 

Chancen durch den Einsatz proaktiver Vorschläge

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Fahrzeugen und der Einführung von Betriebssystemen wie „Android Automotive“ wurde auch in der Automobilbranche die Grundlage geschaffen, das Nutzerverhalten zu analysieren und den Kund:innen zielgerichtet Empfehlungen zur Nutzung von Funktionen zu machen. Gute Vorschläge können in erhöhter Kundenzufriedenheit münden und langfristig eine stärkere Bindung der Kund:innen zum Fahrzeug aufbauen. Zusätzlich eröffnet sich durch proaktive Vorschläge ein neuer Marketing- & Sales-Kanal für „On Demand Funktionen“. 

Welche Themen müssen bei der Gestaltung proaktiver Vorschläge Beachtung finden?

Ein guter proaktiver Vorschlag zeichnet sich dadurch aus, dass er den Nutzer:innen zur richtigen Zeit gemacht wird sowie als hilfreich und nicht störend wahrgenommen wird. Dies kann bspw. bei der Antizipation einer Funktionsausführung eine direkte Verlinkung sein, die eine manuelle Menüführung überspringt. Hier ein Beispiel: 

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Stau mit Stop & Go, der laut Navigationssystem für mehrere Kilometer andauern wird. Das Fahrzeug erkennt anhand der Verkehrsinformationen und Ihres Fahrstils die Stausituation und weist Sie darauf hin, die für diese Situation geeigneten Fahrassistenzsysteme zu aktivieren, wie bspw. die automatische Abstandsregelung. 

Sollten Sie Ihr Fahrzeug gut kennen, wäre die Aktivierung dieser Systeme für Sie gegebenenfalls der nächste Schritt gewesen und Sie freuen sich über die angebotene Möglichkeit, diese Funktion auf einfache Weise zu aktivieren. Für Fahrer:innen hingegen, die mit den Fahrassistenzfunktionen nicht vertraut sind, bietet sich die Möglichkeit, diese Funktion nun in der passenden Situation zu testen und das Fahrzeug besser kennenzulernen. 

Eine Umfrage der TÜV Mobility Studie 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass immerhin 57% der befragten Frauen und 42% der befragten Männer über keinerlei Erfahrung mit Fahrassistenzsystemen verfügen.³ 

Herausforderungen bei der Gestaltung proaktiver Vorschläge

Timing

Dominanz

Nutzerdaten 

Entwicklungszyklen 

Ein schlecht platzierter proaktiver Vorschlag, der zur falschen Zeit kommt oder den Fahrer:innen nicht schlüssig erscheint, wird ungleich stärker wahrgenommen, da er den Nutzungsflow unterbricht und die Fahrer:innen im schlimmsten Fall stören könnte. Mehren sich Empfehlungen, die von den Kund:innen als negativ empfunden werden, kann dies dazu führen, dass das System abgelehnt wird. 

Ein Beispiel hierfür sind Stauumfahrungsvorschläge von Navigationsdiensten, die in kurzen Zeitabständen angeboten werden, dabei jedoch lediglich einen Zeitgewinn von 1-2 Minuten ausmachen und zusätzlich eine längere Wegstrecke und mehr Spritverbrauch bedeuten. Auch wenn die Logik des Algorithmus hier korrekt angewandt wird, fallen diese Vorschläge häufig durch eine zu hohe Frequenz auf. Eine Konsequenz daraus kann sein, dass Nutzer:innen sich durch die Hinweise gestört fühlen und im schlimmsten Fall den Navigationsdienstanbieter wechseln. 

Aus diesem Grund ist es essentiell den Kund:innen die richtigen Vorschläge zum richtigen Zeitpunkt zu machen. 

Ein weiterer Baustein, der neben dem richtigen Zeitpunkt und der korrekten Antizipation die positive Wahrnehmung der Nutzer:innen hinsichtlich eines proaktiven Vorschlags beeinflusst, ist die Dominanz des Vorschlags: Wenn ein Vorschlag ein genaues Timing bedingt, sollte er möglichst dominant platziert sein (beispielweise im Head-up Display oder im Kombiinstrument), um im richtigen Augenblick wahrgenommen zu werden. Zeitgleich dürfen Vorschläge die Fahrer:innen nicht ablenken oder beim Fahren stören. Ein eher dezent platzierter Hinweis hingegen birgt das Risiko übersehen zu werden. 

Das Sammeln von Daten über das Nutzerverhalten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind entscheidende Faktoren, die die Qualität von Empfehlungen beeinflussen: Je mehr Daten gesammelt und analysiert werden, umso besser werden die Vorschläge. Die individuelle Treffsicherheit von proaktiven Vorschlägen als auch die Anzahl der von den Kund:innen als positiv wahrgenommenen Vorschläge steigt mit den Daten, die Kund:innen dem Automobilhersteller zur Verfügung stellen. 

Zusätzlich sehen sich Automobilhersteller der Herausforderung gegenüber die schnelllebige Software-Entwicklung mit den langlebigen Hardware-Entwicklungszyklen von Steuergeräten zu harmonisieren.

Erinnern wir uns an das Beispiel der automatischen Abstandsregelung zurück: 

Damit ein proaktiver Vorschlag basierend auf dem Fahrverhalten der Kund:innen als auch der Stausituation ausgegeben werden kann, müssen die entsprechenden Informationen vom Zielsteuergerät bereitgestellt werden. Im Fall von Fahrassistenzfunktionen muss also die Software bspw. auf dem Kameraleitsystem oder der Motorsteuerung angepasst werden, damit diese die nötigen Daten bereitstellen. Während die eigentliche Implementierung wenig aufwändig ist, unterliegt diese Hardware in der Automotive Branche strengen und langwierigen Freigabeprozessen, da die Sicherheit dieser Systeme oberste Priorität hat. Entsprechend müssen diese Anpassungen in der Software über einen Zeitraum von 1-2 Jahren geplant, umgesetzt und getestet werden. Hinzu kommt eine große Flexibilität in der Konfigurierbarkeit von Fahrzeugen durch Kundinnen und Kunden, die im Entwicklungs- und Absicherungsprozess berücksichtigt werden muss. Die genannten Aspekte machen die Integration im Automotive Bereich besonders planungsintensiv und erfordern optimal aufeinander abgestimmte Prozesse. 

Leistungen von acterience

acterience unterstützt einen OEM der Automobilbranche im Bereich „Proaktivität” mit einem gesamtheitlichen Beratungsansatz: 

 

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